In einer Welt, die sich angesichts des Klimawandels rasant verändert, ermöglicht die Ausstellung „I Feel the Earth Whisper“ im Museum Frieder Burda, innezuhalten und der sinnlichen Schönheit der natürlichen Welt und unserer tief-greifenden Verbundenheit mit ihr nachzuspüren – anhand der Installationen von Bianca Bondi, Julian Charrière, Sam Falls und Ernesto Neto. Die von Patricia Kamp und Jérôme Sans kuratierte Schau, die Skulptur, Malerei, Video und Fotografie in vielschichtigen Szenarien umfasst, lädt uns dazu ein, uns als Teil der Natur, ihrer Wälder und einzigartigen Ökosysteme unseres Planeten zu begreifen und unsere geschichtlich verwurzelte Rolle als respektvolle Hüter dieser pulsierenden Lebensräume wieder einzunehmen, um von neuen, fürsorglichen Beziehungen zu unserer Erde zu erzählen – wahre „planetare“ Liebesgeschichten.
Die ausgestellten Arbeiten der Künstler, die hier auf außergewöhnliche Weise erstmals zusammenkommen, lenken unseren Blick nicht nur nach draußen auf die Naturlandschaften, sondern holen auch die lebendige Welt ins Museum und schaffen dabei einnehmende Räume, die uns dazu inspirieren, mehr-als-menschliche Perspektiven zu berücksichtigen und ein tiefes Gefühl der Harmonie mit der belebten Erde zu wecken. Auch durchdringt das Wechselspiel von Licht und Natur den vom berühmten Architekten Richard Meier entworfenen Museumsbau und lässt die Grenzen zwischen Außen- und Innenraum verschwimmen: Hier entsteht eine dynamische, immersive Umgebung, die mit der traditionellen musealen White-Cube-Ästhetik bricht.
Bianca Bondi; Foto: Etienne Rougery-Herbaut
Bianca Bondi (*1986) ist eine südafrikanisch-italienische Künstlerin, die in Paris lebt und arbeitet. In ihrer multidisziplinären Praxis geht es um die Aktivierung oder Aufwertung alltäglicher Gegenstände durch chemische Reaktionen, meist durch Salzwasser. Die Materialien, mit denen sie arbeitet, werden aufgrund ihres Mutationspotenzials oder ihrer intrinsischen und symbolischen Eigenschaften ausgewählt. Bondis Ziel ist es, Erfahrungen jenseits des Visuellen zu fördern und für das Leben der Materie einzutreten, wobei sie den Schwerpunkt auf Interkonnektivität, Vergänglichkeit und die Zyklen von Leben und Tod legt. Sie ist eine leidenschaftliche Anhängerin der Ökologie und der okkulten Wissenschaften und verbindet diese beiden Bereiche zu pluridisziplinären Werken mit transformativem Charakter, in denen die Aura der Objekte eine zentrale Rolle spielt. Die poetischen Ergebnisse sind oft ortsspezifisch und stehen in engem Zusammenhang mit den Orten, an denen sie existieren sollen.
Bianca Bondis ortsspezifische Installation im Museum Frieder Burda, „Salt Kisses My Lichens Away“, beschwört Anklänge an mystische Sagen aus dem Schwarzwald und der badischen Geschichte herauf. Indem sie die Grenzen zwischen Außen- und Innenraum verwischt, wirkt die Installation in der Architektur von Richard Meier wie ein wildes, atmendes Haus, in dem Wandteppiche und Tapeten mit Moos, Wasser und Pflanzenleben koexistieren. Diese immersiven Umgebungen fordern die Wahrnehmung der Betrachter heraus und rufen ein Gefühl des Unsichtbaren oder Spirituellen hervor.
Bondis dynamische Installationen entwickeln sich im Laufe der Zeit durch chemische Prozesse, wodurch Themen der Transformation und des Zeitverlaufs hervorgehoben werden. Sie dienen als eindringliche Erinnerung an die fragile Schönheit unseres Ökosystems und die Notwendigkeit einer symbiotischen Beziehung mit unserer Umwelt.
Julian Charrière; Foto: Etienne Rougery-Herbaut
Julian Charrière (geb. 1987) ist ein französisch-schweizerischer Künstler, der in Berlin lebt und arbeitet. Als wegweisende Stimme in der zeitgenössischen Kunst wurde Charrière in renommierten Institutionen und Museen auf der ganzen Welt ausgestellt. Seine Projekte, die Performance, Skulptur und Fotografie vereinen, erforschen Vorstellungen von der Natur und ihrer Veränderung über geologische und menschliche Zeiträume hinweg und entstammen oft Feldforschungen an entlegenen Orten wie Vulkanen, Eisfeldern und radioaktiven Stätten. Durch die Auseinandersetzung mit Orten, an denen sich ausgeprägte geophysikalische Identitäten gebildet haben, spekuliert Charrière über alternative Geschichten und betrachtet Materialien oft durch die Linse der tiefen Zeit. Der Künstler arbeitet häufig mit Komponisten, Wissenschaftlern, Ingenieuren, Kunsthistorikern und Philosophen zusammen.
In seiner Ausstellung „Where Clouds Become Smoke“ präsentiert Julian Charrière eine Reihe von Projekten, die sich mit der komplexen Verflechtung von Mensch und Natur auseinandersetzen und die Besucher einladen, über ihre eigene Rolle im ökologischen Gleichgewicht unseres Planeten nachzudenken. Dabei verbindet Charrières neustes Projekt Calls for Action einen partizipativen Kunstansatz mit Landschaftsschutz und nutzt eine Live-Videoverbindung zwischen dem Schwarzwald in Baden-Baden und einem Küstenwald in Ecuador, die es Besuchern erlaubt, sich als Teil der Vernetzung unseres Planeten zu erfahren und aktiv zu werden.
Intergraler Bestandteil von Calls for Action ist die Möglichkeit für die Öffentlichkeit, direkt zu den Naturschutzbemühungen beizutragen, die vom Museum Frieder Burda und dem Künstler mit einer großzügigen Spende initiiert wurden. Diese Spende gewährleistet den dauerhaften Erhalt des gezeigten Ökosystems in Ecuador. Um Genaueres zu erfahren und an Calls for Action mitzuwirken, scannen Sie bitte den QR-Code im Museum.
Sam Falls; Foto: Etienne Rougery-Herbaut
Sam Falls (*1984) ist in Vermont aufgewachsen und lebt und arbeitet im New Yorker Hudson Valley. Der Künstler arbeitet eng mit den Grundprinzipien der Fotografie – nämlich Zeit, Darstellung und Belichtung – zusammen, um Werke zu schaffen, die sowohl die Unterschiede zwischen verschiedenen künstlerischen Medien als auch die vermeintliche Trennung zwischen Künstler, Objekt und Betrachter überbrücken. So verwischt Sam Falls einfühlsam die Grenzen zwischen künstlerischen Genres und Praktiken, von modernem Tanz und minimalistischer Malerei bis hin zu konzeptueller Fotografie und Land Art, und reduziert sie auf die Grundlagen der Natur.
Sams Falls’ Ausstellung „Waldeinsamkeit“ vereint Arbeiten aus Heilsteinen, Keramik, Gussglas und Leinwänden. Eigens für das Museum Frieder Burda konzipiert, schuf der Künstler eine ortsspezifische Arbeit im umliegenden Schwarzwald, indem er mit den Kräften der Natur und der charakteristischen Flora Baden-Badens arbeitete. Hierbei fing Falls natürliche Prozesse ein, indem er eine große Leinwand im Wald auslegte und darauf Blumen und Zweige platzierte, die im Laufe der Zeit gespenstische Abdrücke hinterließen, während Pigmente mit Sonne, Regen und Zeit reagierten. Dieser Prozess hebt die vergängliche Schönheit und die Unbeständigkeit natürlicher Phänomene hervor und lenkt die Aufmerksamkeit auf den Zeitverlauf und die Kreisläufe von Wachstum und Verfall, während er gleichzeitig die heilende Kraft der Natur betont.
Durch die symbiotische Arbeit mit der Natur und den Elementen sind Falls‘ Kunstwerke von einem Ortssinn geprägt, der sich auf die einzigartige Umgebung ihrer Entstehung bezieht und gleichzeitig von einem universellen Gefühl der Sterblichkeit durchdrungen ist.
Ernesto Neto; Foto: Etienne Rougery-Herbaut
Ernesto Neto (*1964) ist ein brasilianischer Künstler, der in Rio de Janeiro lebt und arbeitet. Als einer der einflussreichsten Künstler seiner Generation ist Neto bekannt für seine immersiven Umgebungen aus kraftvollen Farben, Düften, Klängen und natürlichen Materialien, die alle Sinne ansprechen und ein Gefühl von Gemeinschaft fördern. Ausgehend von Biomorphismus, Arte Povera, Minimalismus, Neokonkretismus und anderen brasilianischen Avantgardebewegungen der 1960er und 1970er Jahre hat Neto ein unverwechselbares Werk geschaffen – eine fortwährende formale Untersuchung von Raum, Volumen, Balance und Schwerkraft, die von Sinnlichkeit, Energie und Spiritualität geprägt ist.
Indem Neto die Beschaffenheit der natürlichen Welt erforscht und in seine Arbeit einbezieht, entstehen neuartige architektonische Räume, die als Modell für soziale Umgebungen dienen und das Verhältnis zwischen Kunst und Betrachter grundlegend neu gestalten. In seiner Ausstellung „The Birth of Contemporous Blue Tree“ evoziert Neto einen Raum der Harmonie und Heilung mit einer monumentalen Baumstruktur aus handgehäkelten brasilianischen Baumwollstoffen, die speziell für die Architektur des Museum Frieder Burda konzipiert wurde. Der Baum, der für Neto die Verbindung zwischen Erde und Himmel symbolisiert, ist mit Pflanzen, aromatischen Kräutern, und Gewürzen geschmückt. Umgeben von einem 13 Meter hohen Stoff-‘Regen‘ dient die Installation sowohl als Zufluchtsort als auch als Spielplatz und lädt die Besucher ein, mit allen Sinnen, durch Berührung, Geruch und Klang einzutauchen oder sich hinzulegen, zu tanzen, zu meditieren und die Kraft und Poesie des eigenen Seins in seiner pulsierenden Lebendigkeit in sich nachzuspüren.
Neto schöpft Inspiration aus vielfältigen Quellen, darunter brasilianische Avantgarde-Künstler wie Hélio Oiticica und Lygia Clark, die modernistische Abstraktion von Alexander Calder und Constantin Brâncusi sowie die natürliche Welt, Schamanismus und Handwerkskultur.
Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Museum Frieder Burda – erbaut von Architekt und Pritzker-Preisträger Richard Meier – würdigt „I Feel the Earth Whisper“ den visionären Geist und das bleibende Vermächtnis seines Gründers Frieder Burda als leidenschaftlicher und engagierter Sammler zeitgenössischer Kunst. Der deutsche Sammler, der enge Verbindungen zu den bedeutendsten Künstlern und Denkern seiner Generation pflegte, erschuf sein Museum in einem menschlichen Maßstab. Eingebettet in den malerischen Park entlang der Lichtentaler Allee – Teil des UNESCO Weltkulturerbes – besticht das Museum durch seine lichtdurchfluteten Räume, die eine harmonische Symbiose aus Kunst, Architektur und dem atemberaubenden, beschaulichen Naturumfeld bilden. Nahe den Grenzen zu Frankreich und der Schweiz gelegen, hat das Museum seinen Sitz im Schwarzwald, einer Region, in der seit jeher Sagen und Mythen kultiviert wurden. In Anlehnung an die einzigartige Geschichte des Museums und seine Lage in Baden-Baden – einer Stadt, die mit ihren mineralienreichen Thermalquellen und historischen Badehäusern tief in der Tradition des Kurens und Heilens verwurzelt ist – erforscht die Ausstellung Konzepte der Heilung auf körperlicher, emotionaler wie ökologischer Ebene und ruft damit zu Fürsorge, Verantwortung und einer achtsamen Beziehung zu uns selbst und der Umwelt auf.
Ein umfangreiches Begleitprogramm erweitert den Museumsraum und die konventionelle Ausstellungspraxis und lädt Sie ein, Natur und Gemeinschaft, Körper und Geist auf neue Weise zu erfahren. Ob außergewöhnliche Yoga- und Soundhealing-Erlebnisse, Handpan-Workshops, kombinierte Sonderführungen im Museum und im Schwarzwald oder kreative Kurse der Kunstwerkstatt: Ein vielseitiges Wellbeing-Begleitprogramm, macht die Themen der Ausstellung mit allen Sinnen erfahrbar und ermöglicht einen kostbaren Moment der Ruhe.