I FEEL THE EARTH WHISPER

BIANCA BONDI, JULIAN CHARRIÈRE, SAM FALLS UND ERNESTO NETO
15. JUNI  - 03. NOVEMBER 2024
 

In einer Welt, die sich angesichts des Klimawandels rasant verändert, lädt die Ausstellung "I Feel the Earth Whisper" im Museum Frieder Burda zu einer vertieften Auseinandersetzung mit der fragilen Schönheit der natürlichen Welt und unserer tiefgreifenden Verbundenheit mit ihr ein. Mit Installationen von Bianca Bondi, Julian Charrière, Sam Falls und Ernesto Neto, die Skulptur, Malerei, Video und Fotografie umfassen, lädt die von Patricia Kamp und Jérôme Sans kuratierte Ausstellung dazu ein, unsere Verbindungen zu den Wäldern und einzigartigen Ökosystemen des Planeten neu zu ergründen und unsere historisch verankerte Rolle als Bewahrer dieser pulsierenden Lebensräume wiederzubeleben. Auf einzigartige Weise miteinander verbunden, eröffnen die teils monumentalen Werke dieser Künstler*innen einerseits den Blick nach draußen in die Natur, zugleich holen sie die natürliche Welt nach innen und schaffen Räume, die die Verbindungen und Zusammenhänge mit den "mehr-als-menschlichen" Kräften, Zyklen und Prozessen der natürlichen und kosmischen Welt erfahrbar machen. In einer vielschichtigen Verflechtung von Mythologie, Kosmologie und Ökologie regt die Ausstellung die Besucher dazu an, die vielstimmigen Klänge der Natur mit allen Sinnen neu zu erfahren.

Bianca Bondi, Salt kisses my lichens away

Bianca Bondi; Foto: Etienne Rougery-Herbaut

Julian Charrière, Calls for Action

Bianca Bondi, Salt kisses my lichens away, 2024. Courtesy of the artist and mor Charpentier © VG Bild-Kunst, Bonn 2024; Foto: N. Kazakov

Bianca Bondi (*1986) ist eine südafrikanisch-italienische Künstlerin, die in Paris lebt und arbeitet. In ihrer multidisziplinären Praxis geht es um die Aktivierung oder Aufwertung alltäglicher Gegenstände durch chemische Reaktionen, meist durch Salzwasser. Die Materialien, mit denen sie arbeitet, werden aufgrund ihres Mutationspotenzials oder ihrer intrinsischen und symbolischen Eigenschaften ausgewählt. Bondis Ziel ist es, Erfahrungen jenseits des Visuellen zu fördern und für das Leben der Materie einzutreten, wobei sie den Schwerpunkt auf Interkonnektivität, Vergänglichkeit und die Zyklen von Leben und Tod legt. Sie ist eine leidenschaftliche Anhängerin der Ökologie und der okkulten Wissenschaften und verbindet diese beiden Bereiche zu pluridisziplinären Werken mit transformativem Charakter, in denen die Aura der Objekte eine zentrale Rolle spielt. Die poetischen Ergebnisse sind oft ortsspezifisch und stehen in engem Zusammenhang mit den Orten, an denen sie existieren sollen.

Bianca Bondis ortsspezifische Installation im Museum Frieder Burda, „Salt Kisses My Lichens Away“, beschwört Anklänge an mystische Sagen aus dem Schwarzwald und der badischen Geschichte herauf. Indem sie die Grenzen zwischen Außen- und Innenraum verwischt, wirkt die Installation in der Architektur von Richard Meier wie ein wildes, atmendes Haus, in dem Wandteppiche und Tapeten mit Moos, Wasser und Pflanzenleben koexistieren. Diese immersiven Umgebungen fordern die Wahrnehmung der Betrachter heraus und rufen ein Gefühl des Unsichtbaren oder Spirituellen hervor.

Bondis dynamische Installationen entwickeln sich im Laufe der Zeit durch chemische Prozesse, wodurch Themen der Transformation und des Zeitverlaufs hervorgehoben werden. Sie dienen als eindringliche Erinnerung an die fragile Schönheit unseres Ökosystems und die Notwendigkeit einer symbiotischen Beziehung mit unserer Umwelt.

Bianca Bondi, Salt kisses my lichens away

Julian Charrière; Foto: Etienne Rougery-Herbaut

Julian Charrière, Calls for Action

Julian Charrière, Calls for Action, 2024 Coastal Forest in Ecuador, 24h Live Übertragung (Video + Ton), Telefonverbindung © Julian Charrière, VG Bild-Kunst, Bonn 2024; Foto: N. Kazakov

Julian Charrière (geb. 1987) ist ein französisch-schweizerischer Künstler, der in Berlin lebt und arbeitet. Als wegweisende Stimme in der zeitgenössischen Kunst wurde Charrière in renommierten Institutionen und Museen auf der ganzen Welt ausgestellt. Seine Projekte, die Performance, Skulptur und Fotografie vereinen, erforschen Vorstellungen von der Natur und ihrer Veränderung über geologische und menschliche Zeiträume hinweg und entstammen oft Feldforschungen an entlegenen Orten wie Vulkanen, Eisfeldern und radioaktiven Stätten. Durch die Auseinandersetzung mit Orten, an denen sich ausgeprägte geophysikalische Identitäten gebildet haben, spekuliert Charrière über alternative Geschichten und betrachtet Materialien oft durch die Linse der tiefen Zeit. Der Künstler arbeitet häufig mit Komponisten, Wissenschaftlern, Ingenieuren, Kunsthistorikern und Philosophen zusammen.

In seiner Ausstellung „Where Clouds Become Smoke“ präsentiert Julian Charrière eine Reihe von Projekten, die sich mit der komplexen Verflechtung von Mensch und Natur auseinandersetzen und die Besucher einladen, über ihre eigene Rolle im ökologischen Gleichgewicht unseres Planeten nachzudenken. Dabei verbindet Charrières neustes Projekt Calls for Action einen partizipativen Kunstansatz mit Landschaftsschutz und nutzt eine Live-Videoverbindung zwischen dem Schwarzwald in Baden-Baden und einem Küstenwald in Ecuador, die es Besuchern erlaubt, sich als Teil der Vernetzung unseres Planeten zu erfahren und aktiv zu werden.

Intergraler Bestandteil von Calls for Action ist die Möglichkeit für die Öffentlichkeit, direkt zu den Naturschutzbemühungen beizutragen, die vom Museum Frieder Burda und dem Künstler mit einer großzügigen Spende initiiert wurden. Diese Spende gewährleistet den dauerhaften Erhalt des gezeigten Ökosystems in Ecuador. Um Genaueres zu erfahren und an Calls for Action mitzuwirken, scannen Sie bitte den QR-Code im Museum.

Bianca Bondi, Salt kisses my lichens away

Sam Falls; Foto: Etienne Rougery-Herbaut

Julian Charrière, Calls for Action

Sam Falls, Waldeinsamkeit, Installationsansicht Museum Frieder Burda, 2024 © Sam Falls; Foto: Etienne Rougery-Herbaut

Sam Falls (*1984) ist in Vermont aufgewachsen und lebt und arbeitet im New Yorker Hudson Valley. Der Künstler arbeitet eng mit den Grundprinzipien der Fotografie – nämlich Zeit, Darstellung und Belichtung – zusammen, um Werke zu schaffen, die sowohl die Unterschiede zwischen verschiedenen künstlerischen Medien als auch die vermeintliche Trennung zwischen Künstler, Objekt und Betrachter überbrücken. So verwischt Sam Falls einfühlsam die Grenzen zwischen künstlerischen Genres und Praktiken, von modernem Tanz und minimalistischer Malerei bis hin zu konzeptueller Fotografie und Land Art, und reduziert sie auf die Grundlagen der Natur.

Sams Falls’ Ausstellung „Waldeinsamkeit“ vereint Arbeiten aus Heilsteinen, Keramik, Gussglas und Leinwänden. Eigens für das Museum Frieder Burda konzipiert, schuf der Künstler eine ortsspezifische Arbeit im umliegenden Schwarzwald, indem er mit den Kräften der Natur und der charakteristischen Flora Baden-Badens arbeitete. Hierbei fing Falls natürliche Prozesse ein, indem er eine große Leinwand im Wald auslegte und darauf Blumen und Zweige platzierte, die im Laufe der Zeit gespenstische Abdrücke hinterließen, während Pigmente mit Sonne, Regen und Zeit reagierten. Dieser Prozess hebt die vergängliche Schönheit und die Unbeständigkeit natürlicher Phänomene hervor und lenkt die Aufmerksamkeit auf den Zeitverlauf und die Kreisläufe von Wachstum und Verfall, während er gleichzeitig die heilende Kraft der Natur betont.

Durch die symbiotische Arbeit mit der Natur und den Elementen sind Falls‘ Kunstwerke von einem Ortssinn geprägt, der sich auf die einzigartige Umgebung ihrer Entstehung bezieht und gleichzeitig von einem universellen Gefühl der Sterblichkeit durchdrungen ist.

Bianca Bondi, Salt kisses my lichens away

Ernesto Neto; Foto: Etienne Rougery-Herbaut

Julian Charrière, Calls for Action

Ernesto Neto, Blue tree, 2024. Courtesy the artist and Tanya Bonakdar Gallery, New York / Los Angeles; Fortes D'Aloia & Gabriel, São Paulo and Rio de Janeiro © Ernesto Neto; Foto: N. Kazakov

Ernesto Neto (*1964) ist ein brasilianischer Künstler, der in Rio de Janeiro lebt und arbeitet. Als einer der einflussreichsten Künstler seiner Generation ist Neto bekannt für seine immersiven Umgebungen aus kraftvollen Farben, Düften, Klängen und natürlichen Materialien, die alle Sinne ansprechen und ein Gefühl von Gemeinschaft fördern. Ausgehend von Biomorphismus, Arte Povera, Minimalismus, Neokonkretismus und anderen brasilianischen Avantgardebewegungen der 1960er und 1970er Jahre hat Neto ein unverwechselbares Werk geschaffen – eine fortwährende formale Untersuchung von Raum, Volumen, Balance und Schwerkraft, die von Sinnlichkeit, Energie und Spiritualität geprägt ist.

Indem Neto die Beschaffenheit der natürlichen Welt erforscht und in seine Arbeit einbezieht, entstehen neuartige architektonische Räume, die als Modell für soziale Umgebungen dienen und das Verhältnis zwischen Kunst und Betrachter grundlegend neu gestalten. In seiner Ausstellung „The Birth of Contemporous Blue Tree“ evoziert Neto einen Raum der Harmonie und Heilung mit einer monumentalen Baumstruktur aus handgehäkelten brasilianischen Baumwollstoffen, die speziell für die Architektur des Museum Frieder Burda konzipiert wurde. Der Baum, der für Neto die Verbindung zwischen Erde und Himmel symbolisiert, ist mit Pflanzen, aromatischen Kräutern, und Gewürzen geschmückt. Umgeben von einem 13 Meter hohen Stoff-‘Regen‘ dient die Installation sowohl als Zufluchtsort als auch als Spielplatz und lädt die Besucher ein, mit allen Sinnen, durch Berührung, Geruch und Klang einzutauchen oder sich hinzulegen, zu tanzen, zu meditieren und die Kraft und Poesie des eigenen Seins in seiner pulsierenden Lebendigkeit in sich nachzuspüren.

Neto schöpft Inspiration aus vielfältigen Quellen, darunter brasilianische Avantgarde-Künstler wie Hélio Oiticica und Lygia Clark, die modernistische Abstraktion von Alexander Calder und Constantin Brâncusi sowie die natürliche Welt, Schamanismus und Handwerkskultur.


Anlässlich seines 20-jährigen Jubiläums würdigt das Museum Frieder Burda mit der Ausstellung "I Feel the Earth Whisper" den visionären Geist und das bleibende Vermächtnis seines Gründers Frieder Burda. Verbunden mit den größten Denkern und Schöpfern seiner Generation, baute der deutsche Sammler sein Museum in menschlichem Maßstab. Das von Richard Meier entworfene und in den malerischen Park Lichtentaler Allee, einem UNESCO-Weltkulturerbe in Baden-Baden, eingebettete Museum schafft mit seinen lichtdurchfluteten Räumen eine harmonische Symbiose zwischen Kunst, Architektur und der eindrucksvollen, zum Verweilen und Nachsinnen anregenden natürlichen Umgebung. Das Zusammenspiel von Licht und Natur innerhalb der Museumsarchitektur verwischt die Grenzen zwischen Außen- und Innenraum und schafft eine dynamische, immersive Umgebung, die die traditionelle Ästhetik des White Cube-Museums herausfordert. In der Nähe der Grenzen zu Frankreich und der Schweiz gelegen, befindet sich das Museum im geheimnisumwobenen Schwarzwald, einer Region mit Legenden und spiritueller Resonanz. Ausgehend von der besonderen Historie und Verortung des Museums in Baden-Baden, einer Stadt, die ob ihrer mineralstoffreichen Thermalquellen und historischen Kuranlagen im Zeichen der Heilung und Verjüngung steht - ergründet die Schau den Gedanken der Heilung auf mehreren Ebenen: der physischen, psychischen und ökologischen. Dabei thematisiert sie die Reziprozität - die wechselseitige Abhängigkeit und notwendige Fürsorge zwischen Mensch und Natur - und regt zu einem respektvollen, verantwortungsvollen Verhältnis zur Mitwelt an.


Ein umfangreiches Begleitprogramm erweitert den Museumsraum und die konventionelle Ausstellungspraxis und lädt Sie ein, Natur und Gemeinschaft, Körper und Geist auf neue Weise zu erfahren.

Unser Medienpartner:

Podcast

Experimentell und lebendig: Die radikale Versuchsanordnung der Ausstellung spiegelt sich auch im Audioguide der Ausstellung „Transformers“ wider. In vier intensiven Gesprächen thematisiert der Kurator der Ausstellung, Udo Kittelmann, Aspekte und Fragestellungen zur künstlichen Intelligenz. Lassen Sie sich von den anregenden Gesprächen inspirieren – die zum Teil überraschende Gedanken zu einem „Was-wäre-wenn“ einer radikal veränderten Zukunft durchspielen.
Louisa Clement (*1987 in Bonn) schloss 2015 ihr Studium an der Kunstakademie Düsseldorf ab. Wird die Maschine zum Doppelgänger?: Im Gespräch zwischen Udo Kittelmann und Louisa Clement geht es um den digitalen Fußabdruck und lernfähige KI, digitale Vernetzung und Isolierung sowie das faszinierende und zugleich verstörende Ebenbild in dreidimensionaler Form.
Annemie Vanackere ist eine belgische Festivalkuratorin und Theaterleiterin. Seit 2012 leitet sie als Intendantin und Geschäftsführerin das Theater Hebbel am Ufer in Berlin. Im Austausch zwischen Kurator und Theaterintendantin geht es um die Technologisierung und Digitalisierung im Leben und dessen Bedeutung für die performativen Künste, um multiple Intelligenzen und Empathie.
Dr. Clara Meister arbeitet international als Kuratorin. Der Schwerpunkt ihrer kuratorischen Arbeit liegt auf dem Thema der Übersetzung, Sprache und Musik. Im Gespräch erörtern Udo Kittelmann und Clara Meister die Beziehung von Technik und Natur, sie hinterfragen den technischen Fortschritt und sprechen sich für mehr Raum für pflanzliche und andere nicht humane Intelligenzen im Umgang mit technischem Fortschritt aus.
„Warum ist der Mensch sich selbst nicht genug?“ Alice Lagaay ist eine Philosophin, die aktiv an der Entstehung des interdisziplinären Forschungsfeldes der Performance Philosophie beteiligt ist. Im Gespräch zur animatronischen Skulptur „Female Figure“ von Jordan Wolfson werden Fragen der technischen Manipulation des Selbst, der Faszination und Überwältigung des Maschinellen, aber auch der misogynen Aspekte des Werkes erörtert.



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